Der Passionskanzelbehang
(2004)
Überwiegend mit der Paperpiecing-Methode maschinengenäht, -appliziert, handbestickt und handgequiltet.
Der Behang zeigt, wie die Sünde der Menschen Jesus das Genick bricht, andererseits aber auch sein Tod am Kreuz den schwarzen Rahmen
(der Sünde) sprengt.
Hintergründe und Motivation
Als ich Anfang Januar 2004 anfangen wollte, einen Passionsbehang zu gestalten, überlegte ich, was eigentlich die
Passion Jesu ausmacht. Passion, das ist laut Lexikon einerseits die Leidenschaft, der man sich aus
eigenen Stücken mit ganzem
Einsatz und Begeisterung hingibt. Andererseits ist Passion das Leiden. Meist wird damit das Leiden
Jesu Christi gemeint.
Es war daher auch nicht mein Ziel, einen schönen Behang anzufertigen, denn Jesu Passion war nicht
schön!
Was war denn Jesu Leidenschaft und worunter hat er gelitten? Sicher sind nicht alle möglichen Antworten in dem Passionsbehang zu
finden, aber das, was mich bewegt hat während meiner Arbeit, möchte ich Ihnen gerne erläutern.
Um den Gesamtzusammenhang deutlich zu machen, muss ich erst etwas ausholen:
Auf der ersten Seite der Bibel steht, dass Gott bei der Schöpfung sagte: "Jetzt wollen wir den Menschen machen, unser Ebenbild,
das uns ähnlich ist." Ich verstehe das so: Als Gott den Menschen erschuf, sehnte er sich nach einem Wesen, mit dem er Kontakt,
Austausch und Gemeinschaft haben konnte. Gott ist Liebe und Liebe sehnt sich nach einem Gegenüber; das kennen wir Menschen ja
auch.
Doch dann zerbrach die ursprünglich ungetrübte Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen durch den Sündenfall. Der Mensch misstraute Gott, ob er es wirklich gut mit ihm meinte, und glaubte, ohne Gottes Regeln besser leben zu können. Er wollte selber sein wie Gott und musste darum das Paradies, die direkte Nähe Gottes verlassen.
Seitdem ist dieser tiefe Riss zwischen Gott und Menschen, den kein Mensch wieder flicken oder überbrücken kann. Diesen Riss nennt
die Bibel Sünde. Sie trennt den heiligen Gott von den unwürdigen Menschen.
Trotz dieses ersten massiven Misstrauensvotums des Menschen gegenüber Gott und ungezählter weiterer, die noch folgten, blieb
Gottes Liebe zu den Menschen bestehen. Er sehnte sich weiter danach, mit ihnen eine Beziehung zu
pflegen, die von Liebe und
Vertrauen geprägt ist.
Und so (ich kürze jetzt massiv ab!) schickte Gott eines Tages Jesus, seinen einzigen Sohn, auf unsere Erde mit dem Auftrag, den
Menschen von Gottes großer Liebe zu erzählen, ja sie "nach Hause zu lieben".
Nun bin ich beim Kanzelbehang angekommen.
Die Bibel sagt, Jesus war, wie niemand jemals sonst, völlig ohne Sünde. Deshalb habe ich
reinweißen Stoff für ihn gewählt. (Haben
Sie Ihn gefunden? Er liegt am unteren Bildrand am Boden.)
Weil er Gottes Sohn ist und außerdem sich selbst als Licht der Welt bezeichnet hat, sind seine
Konturen mit Silbergarn
gestickt. Das Gleiche gilt für die Worte "Der Herr" und "ihn".
Seinen linken Arm hat er schützend um das große, hellrote Herz gelegt, was für seine Liebe und
Leidenschaft, für den Auftrag des
Vaters steht, uns Menschen zurück zu gewinnen.
Wie ist er auf die verschiedenen Menschen eingegangen und hat um sie geworben! Ich erinnere hier nur mal an den fragenden
Nikodemus, den verhassten Zachäus, den zweifelnden Thomas, die ungleichen Schwestern Maria und Martha, den reichen jungen Mann mit
seinen theologischen Fragen, den Bräutigam, der zuwenig Wein besorgt hatte und die verzweifelte Ausländerin mit der kranken
Tochter.
Wie oft hat Jesus über seine Jünger geseufzt, weil sie ihm immer noch nicht Hilfe zutrauten! Wie schmerzte ihn die geistliche
Blindheit der doch so bibelkundigen Schriftgelehrten! Wie hat er über Jerusalem geweint, weil ihre Einwohner
nicht in ihm den von
Gott versprochenen Retter sehen wollten! Noch viele weitere Male ist Jesus von seinen Zeitgenossen zurückgewiesen worden.
Und doch will er um jeden Preis die Liebe bewahren. Die Sehnsucht des Vaters ist auch sein Herzenswunsch. Deshalb lässt er sich
sogar vom Vater alles aufladen, was uns Menschen von dem Heiligen Gott trennt, selbst wenn es ihm das Herz
zerreißt oder das
Genick bricht.
(Ich habe nicht die Darstellung des am Kreuz hängenden Christus gewählt, weil ich denke, dass wir in der Gefahr stehen, uns schon an den schrecklichen Anblick gewöhnt zu haben. Außerdem wird so deutlicher, was ihn in die Knie und zu Boden zwingt.)
Wenn es nun in Jesaja 53 Vers 6 heißt: "Der Herr aber lud alle unsere Schuld auf ihn", was ist dann mit "Schuld" gemeint? Als erstes ist da die Sünde. Ich sprach vorhin schon davon. Sie ist schwarz ohne jedes Weiß, macht sich starr, dick und breit und hat einen blutroten Hintergrund. Seit dem Sündenfall ist jeder von ihr infiziert.
Und als wenn das nicht genug wäre, verbündet sie sich zweitens mit der
Selbstgerechtigkeit. Selbstgerechtigkeit sagt:
"So schlecht bin ich doch gar nicht! Andere sind noch viel schlechter! Für meine Schlechtigkeit kann ich nichts! Andere sind daran
Schuld!" U. s. w.
Selbstgerechtigkeit stellt sich zwar anders dar als Sünde (rot auf schwarz und feingliederig), aber sie ist kein Deut besser.
Zusammen sind beide ein tödliches Team (Kreuz), das keine Rettung für uns zulässt. Wer die Sünde in
seinem Leben nicht erkennt
bzw. nicht wahrhaben will, der kann sie sich auch nicht vergeben lassen!
Über dem Kreuz wölbt sich ein filigraner Bogen, der die Dornenkrone symbolisieren soll.
Sie wurde Jesus von den
Soldaten aufgesetzt, die mit ihm "König" spielen wollten, bevor sie ihn aufs Kreuz legten. In kratzigen, piekigen Buchstaben kann
man dort MISSTRAUEN entziffern. In dem Wort Misstrauen steckt das Wort Trauen. Es ist also keine offene Ablehnung gemeint. Ein
bisschen Vertrauen ist da, sofort gefolgt von einer Einschränkung: "Ja, aber...".
So wie die Soldaten sagten: "Jesus, du sollst unser König sein. Wir verehren dich!" und es gar nicht ernst meinten,
so vertrauen wir unserm Herrn zwar ein Stück weit, aber dann doch wieder nicht mehr. Wir meinen alleine besser zu wissen, was für
uns gut ist, und drücken ihm die Dornenkrone tiefer ins Gesicht.
Wir glauben ihm nicht, dass er es wirklich gut mit uns meint. Wir nehmen zwar dankbar das Gute aus seiner Hand, aber
wollen selber der Bestimmer unseres Lebens sein oder zumindest in wichtigen Detailfragen mitregieren. Misstrauen gegen Gott ist
genau das, was den Sündenfall im Paradies ausgelöst hat ("Sollte Gott gesagt haben...?") und heute funktioniert es noch genauso.
Die Buchstaben des Wortes "Misstrauen" sind im so genannten Hexenstich gestickt. Dieser Stich passt nicht nur zur Optik von Dornen, er wankt auch mal nach rechts, mal nach links, zwei Schritte vor und einen zurück, genau wie das Misstrauen keinen festen Standpunkt und keinen graden Weg findet.
Dann sind da rechts die Mauersteine, die auf die Sünde noch weiter aufgemauert sind. Die Begriffe auf ihnen (Neid, Hass, Gier, Spott, Lüge und Feigheit) stammen auch aus der Passionsgeschichte und umschreiben, was Menschen um Jesus bewegt hat.
- Neid: Das sind die Schriftgelehrten, die neidisch waren auf Jesus, weil er mit seinen Predigten mehr Zulauf hatte als sie. Sie gönnten ihm seinen Erfolg nicht.
- Hass: Das sind die Pharisäer, die Jesus hassten, weil er ihre (Selbst)Gerechtigkeit in Frage stellte. Sie wollten ihre Ruhe vor ihm haben.
- Gier: Das ist Pilatus, der mehr nach Macht für sich gierte als nach Gerechtigkeit für den gefangenen Jesus. Er wählte den Weg des geringsten Widerstandes.
- Spott: Das sind die Soldaten, die Jesus verspotteten. Sie wollten ihren Spaß haben ohne groß nachzudenken.
- Lüge: Das sind die falschen Zeugen, die sich engagieren lassen zu lügen, und Petrus, der aus
Angst lügt, obwohl er nicht lange vorher den Mund noch ganz voll genommen hatte.
(Die Lüge erscheint weiß, also rein, gut und wahr, obwohl sie eigentlich schwarz ist, also falsch und böse. Sie täuscht und verdreht die Wahrheit. Der Stoff ihres Mauersteins ist schwarz mit vielen weißen, handschriftlichen und gedruckten Wörtern, was deutlich macht, dass uns Lüge in vielerlei Gestalt begegnet.) - Feigheit: die Jünger, die alle fliehen, als es brenzlig wird. (Einer flieht sogar nackt, als
jemand ihn am Gewand festhält, so wichtig ist es ihm, davon zu kommen.)
Die Feigheit hat keinen Mut zu starken Kontrasten. Sie ist grau in grau.
Jesus ertrug nicht nur die offene Ablehnung seiner Gegner, sondern auch das beschämend treulose Verhalten seiner engsten Freunde: das den-Freund-in-Gefahr-im-Stich-lassen, die Verleugnung und den Verrat. Er hat das alles ertragen, ohne jemals selbst treulos zu sein, einen Menschen zu hassen, ohne zu gieren, zu neiden, zu spotten, zu lügen oder feige zu sein. Er liebte alle Menschen bis zum Ende. Er bat sterbend noch seinen Vater für seine Mörder um Vergebung. Wie anders ist er doch als ich!
Nun fehlt in der Erläuterung noch der breite, rote, gebogene Streifen. Er soll für den
Purpurmantel stehen, den die
Soldaten Jesus an Stelle seiner eigenen Kleider umgehängt haben. Zum Schein verdeckten sie mit ihm Jesu Nacktheit und die Wunden,
die sie selber ihm geschlagen hatten. In Wirklichkeit machten sie ihn aber lächerlich und nahmen ihm alle Würde.
In orange Schrift steht auf dem Mantelstreifen: Gleichgültigkeit. Die Soldaten kümmerte das Leiden
Jesu nicht. Er sollte ja
sowieso gleich hingerichtet werden. Was war schon dabei, einen Todeskandidaten noch ein bisschen zu quälen?!
Selbst wenn Unrecht noch lauter zum Himmel schreit als orange Schrift auf rotem Grund, die Gleichgültigkeit sagt: "Das machen doch alle! So schlimm ist das doch nicht! Das darf man nicht so eng sehen! Da hat der andere eben Pech gehabt! Jeder ist sich selbst der Nächste! Ich kann mich doch nicht um alles kümmern!"
Und ich heute? Bin ich besser als die Leute damals? Nein.
Auch ich rede Jesus als meinen Herrn an und tue doch, was ich will.
Auch ich erstrebe bzw. genieße oft Macht, Erfolg, Bequemlichkeit oder gedankenlosen Spaß auf Kosten anderer.
Auch ich drücke mich vor unbequemer Verantwortung.
Auch mich lässt das Leid vieler anderer oft gleichgültig.
Auch ich kümmere mich in erster Linie um meine eigenen Interessen.
Ich liebe zu wenig und nicht wirklich, weder Gott, noch meine Mitmenschen.
Was ich mir selbst zukommen lasse, ist auch keine Liebe, sondern nur Egozentrik und Egoismus. Ich schaffe es nicht,
die 10 Gebote zu halten, noch nicht mal nur das erste (nämlich Gott immer an die erste Stelle in meinem Leben zu setzen) und oft
will ich es auch gar nicht.
So, wie ich bin, kann ich nicht vor Gott bestehen. Nach
seinem Gesetz habe ich den ewigen Tod verdient. Sein Ziel, ihn
zu lieben und zu ehren wie es ihm zusteht, habe ich meilenweit verfehlt. Der Platz am Kreuz wäre für mich genau richtig.
Deshalb steht oben am Kreuz in kleinen roten Buchstaben: ICH.
Und was macht Gott? Er sagt auch "aber", aber anders als ich. Der Herr aber lud alle
unsere Schuld auf ihn. Er
überschrieb meine Schulden auf Jesu Namen. Er überschrieb mein "ICH" am Kreuz ganz groß mit dem Ehrentitel
INRI d.h. auf Deutsch:
Jesus von Nazareth, König der Juden. Pilatus, der die Aufschrift damals am Kreuz anbrachte, hatte sie nicht ganz ernst gemeint,
sonst hätte er Jesus nicht umbringen lassen. Aber wir wissen heute, dass Jesus wirklich König ist. Er ist in erster Linie für die
Juden gekommen (Davidsstern), dann aber auch für die ganze Welt
(Weltkugel). Im Johannesevangelium heißt es: "Denn Gott hat die
Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verloren gehen, sondern
das ewige Leben haben."
Weil also Jesus, der ohne Sünde war, meinen verfluchten Platz am Kreuz einnimmt, bin ich frei.
Gott sagt in Jesaja 1 Vers 18: "Wenn eure Sünde auch blutrot ist (UNSERE SCHULD), so soll sie doch
schneeweiß werden." Die Sünde,
die mein Leben wie mit einem dicken, schwarzen Rahmen einengen und festsetzen will, ist durch Jesu
Sterben besiegt worden. Durch
seinen stellvertretenden Tod am Kreuz ist ihre Macht gesprengt ("Risse" im Rahmen als Verlängerung
der Achsen des Kreuzes). Sie
ist zwar noch da, aber sie kann mich nicht mehr versklaven, verurteilen und töten, wenn ich Jesus die Herrschaft über mein Leben
überlasse und ihm nachfolge.
Für diese Erlösung bin ich Jesus von Herzen dankbar.
(Empfehlung: Jesaja 53 nach "Hoffnung für alle" lesen)